„Eine Pension. Das passt zu mir. Ich war schon immer neugierig auf Menschen, bringe sie gern an einen Tisch“, sagt Kerstin Schultz und dass sie sich angekommen fühlt auf ihrem neuen Geschäftsfeld. In diesem Jahr wird sie 53 Jahre alt. Vor zwei Jahren hat die mutige Frau die Pension „Am Luisium“ in Dessau-Waldersee gekauft und sich als deren Wirtin beruflich selbständig gemacht.
Wir sitzen im Frühstückszimmer. Der Blick durchs Fenster fällt auf einen Apfelbaum mit weit ausladender Krone. Kerstin Schultz hat ihn mittlerweile im kompletten Jahreszeitenwechsel erlebt; an einem langen Gartentisch sitzend, an dem auch ihre Pensionsgäste Platz finden – unter herrlicher Blüte, unter seinem Schatten spendendem Blätterdach, später unter den saftigen Früchten alter Sorte. „Die lassen sich wunderbar zu Apfelkuchen verarbeiten“, hat die Wirtin ausprobiert. Sie wird ihren Gästen das duftende Backwerk auch in diesem Jahr wieder auftischen.
Vom Apfelkuchen ist es gedanklich nicht weit zur Oma. Deren Bruder war Konditor. „Aber die Kuchen meiner Oma schmeckten selbst ihrem Bruder immer noch ein bisschen besser als seine eigenen“, schmunzelt Kerstin Schultz. „Weil sie mit Liebe gebacken waren. Was immer sie auch tat – meine Oma hat es mit großer Herzensgüte, mit einer Engelsgeduld und mit unendlicher Liebe gemacht.“ Kindheit und Jugend mit der Oma in einem Haus gehören zu ihren schönsten Erinnerungen. Vielleicht auch darum und weil Familienmitglieder heutzutage so weit verstreut leben, holt sich Kerstin Schultz gerne Gäste ins Haus.
„Was ich mir als Jugendliche noch nicht erklären konnte, heute aber sehr gut nachfühlen kann, ist die Zufriedenheit, die meine Oma trotz ihres entbehrungsreichen Lebens empfand und ausstrahlte“, sagt Kerstin Schultz. Heute ist sie selbst bei der Erkenntnis angekommen: Sich auf das Wesentliche im Leben zu reduzieren, bringt Gewinn. Ein einfaches Leben kann ein sehr gutes sein.
Im Alter um die 50 hat ein Mensch eine gehörige Menge Lebenserfahrung im Erntekorb. Man kann wissend zurück blicken auf gute und schlechte Zeiten und weiß jetzt so ziemlich genau, was man will – und auch, was man nicht will. Bei Kerstin Schultz war der Entschluss gereift, nicht mehr fremdbestimmt leben und arbeiten zu wollen. „Es sind die Krisen“, weiß sie aus eigener Erfahrung, „die uns erst so richtig bewusst machen, dass wir nur dieses eine Leben besitzen, es darum wertschätzen sollten.“ Sie hat gelernt, auf ihr Bauchgefühl zu hören, weil es ein guter Ratgeber ist.
Welch Glück, bei solch einer Pensionswirtin Aufnahme zu finden. Abgesehen von der professionellen wie auch herzlichen Gastfreundschaft, mit der man hier empfangen wird, hat die Pension im Gartenreich Dessau-Wörlitz eine perfekte Lage für all jene, die in ihrem kulturgeschichtlichen Interesse und ihrem Wunsch nach Erholung Erfüllung suchen. „Ich habe Achtsamkeit gelernt“, sagt die Pensionswirtin und meint damit nicht nur den wachen Blick für die Befindlichkeiten und Interessen ihrer Gäste.
„Achtsamkeit“ meint auch den Umgang mit sich selbst. Was bin ich mir selbst wert? Achte ich auf meine Bedürfnisse? Kerstin Schultz kann helfen, Antworten darauf zu finden. Und fängt damit an, die Achtsamkeit auf die Gesundheit zu lenken. Denn in der zweiten Lebenshälfte wird wohl jedem bewusst, dass man die nicht auf ewig gepachtet hat. Kerstin Schultz hat eine Ausbildung zur Geprüften Präventologin gemacht und ist selbst der beste Beweis für ihre kompetente Ernährungs- und Bewegungsberatung. Schließlich hat sie es vor zehn Jahren geschafft, ihr Gewicht von 90 auf dauerhafte 75 Kilogramm zu reduzieren.
Sie hantiert dabei nicht mit Diät-Tabellen, sondern gebraucht ihren Kopf. „Wenn ich nicht aufhöre, mich darüber zu grämen, dass sich mein Körper im Laufe des Lebens verändert, steht mir das ins Gesicht geschrieben. Wenn ich aber Frieden schließe mit dem, was ich nicht ändern kann, bewahre ich mir das Leuchten in den Augen.“ Will sagen: Die Selbstakzeptanz entscheidet über die Attraktivität eines Körpers und nicht die Anzeige auf der Waage.
Über ein verlängertes Wochenende oder beim Fasten (das hier nicht auf die Zeit zwischen Fastnacht und Ostern beschränkt angeboten wird) kann man sich mit Hilfe der präventologischen Beraterin und Trainerin den eigenen individuellen Weg abstecken, der in einen Tagesablauf führt, wo gesunde Ernährung und Bewegung nicht als zusätzliche Stress- sondern als Wohlfühlfaktoren empfunden werden. Seit einer Knieoperation zum Beispiel weiß Kerstin Schultz es als wahres Glück zu empfinden, sich schmerzfrei bewegen zu können. Und dieses Glücksgefühl kostet sie aus – beim Treppensteigen, um ihre Gästezimmer herzurichten oder bei der abendlichen Tour durchs Luisium per pedes oder Pedale.
Bis zu 12 Personen finden in der Nichtraucher-Pension nahe Park und Schloss Luisium in den liebevoll gestalteten 3-Sterne-Pensionszimmern und zwei Ferienwohnungen im Souterrain ganzjährig herzliche Aufnahme. „Und wenn dann auch der Gast bei der Abreise sagt: „Mir geht es gut“, empfinde ich das ebenso als Glück“, sagt die ambitionierte Pensionswirtin.