Psychosomatik“ ist die Bezeichnung für das Wechselspiel zwischen dem griechischen Wort „Psyche“ für Seele und dem „Soma“ für Körper. Doch wir wissen immer noch sehr wenig über unsere Psyche, den Ort des menschlichen Denkens und Fühlens. Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Für Corinna Köbele ist das nicht die Frage. „Ich behandele nicht die Psyche, sondern den Menschen, der mir ein Problem präsentiert“, sagt sie, obwohl sich doch Psyche und Therapie in ihrer Berufsbezeichnung vereinen. Die diplomierte Psychotherapeutin aus dem altmärkischen Kalbe schlägt auch solche Wege ein, auf denen bislang nur wenige unterwegs sind. Gerade ist sie von einem Kongress aus Hamburg zurück, den sie mit ihrem Arbeitskreis „Salutogenese bei Krebs“ organisierte. Inwieweit gesundheitsfördernde Einstellungen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen mit Spontanheilungen bei Krebs zusammenhängen, war vor über 20 Jahren Thema ihrer Forschungsarbeit. Mittlerweile, so ihre Beobachtungen, interessieren sich auch viele Schulmediziner für dieses Gebiet, das für die Wissenschaft noch ein riesiges Forschungsfeld ist. Man wisse zwar, dass sich unsere Psyche und die biochemischen Prozesse in unserem Organismus gegenseitig beeinflussen, aber über die Wege gäbe es noch recht wenige nachweisbare Erkenntnisse, sagt Corinna Köbele.
Bei der Salutogenese wird nicht die Krankheit sondern der Mensch in seiner Umwelt und in seinen Beziehungen in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Dies ist generell der Therapieansatz von Corinna Köbele. „Ich schaue nach, wie sich der Mensch in seiner Umwelt erlebt. Und was er tut, um die Ursache für sein Problem zu finden, beziehungsweise es zu lösen. Die meisten gehen dazu in ihren Kopf, sollten aber ihren Impulsen folgen.“
Menschen mit Depressionen, Angsterkrankungen, psychosomatischen Symptomen und Anpassungsstörungen kommen in die Praxis von Corinna Köbele. „Für jedes Problem gibt es eine Lösung, allerdings keine Pauschallösung, die bei jedem funktioniert. Jede und jeder Einzelne muss die eigene herausfinden“, sagt sie und dass sie sich in diesem Prozess als Entwicklungshelferin sieht.
Die Psychotherapeutin betrachtet die Erkrankung in gesellschaftlichem Kontext. Vereinsamung, sagt sie, sei da ein großes Thema. „Die heutigen Lebens- und Arbeitsbedingungen gehen oft mit Beeinträchtigung der Kommunikation und von Beziehungen einher. Die sozialen Medien spielen da eher eine unsoziale Rolle; ebenso das steigende Arbeitspensum oder der Zeitdruck. Hier gilt es herauszufinden, was genau die individuelle Überforderung darstellt, sagt die Psychotherapeutin und dass häufig seelische Belastungen in der Vorgeschichte zu finden sind, woraus Verhaltensmuster resultieren:
Ich will es immer allen recht machen. Ich will perfekt sein, immer 100 Prozent abliefern. Ich möchte, dass mich alle mögen. ... „Es braucht Mut, die eigene Haltung in Frage zu stellen“, sagt Corinna Köbele. „Da sind die berühmten zwei Seelen in der Brust: Die eine sagt, ich will mich verändern. Die andere warnt, das sei zu gefährlich. Die Alltagswirklichkeit, die wir uns schaffen, kennen wir gut. Veränderung wird oft als die bedrohliche Unbekannte empfunden.“
Es gibt aber auch Dinge im Leben, die können wir nicht ändern. „Ändere deine Einstellung dazu, dann wirst du dein Problem lösen“ – ist ein therapeutischer Ansatz. Er ist ein Weg zu der Einsicht, dass sich jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit, seine Wahrheit schafft. Und nicht selten machen wir uns mit dieser eigenen Wahrheit das Leben schwer. „Wer akzeptiert, dass seine Wahrheit nicht eine allgemeingültige ist, sei auch in der Lage, diese Einstellung gegen eine andere auszutauschen“, meint Corinna Köbele und dass es dann darum geht, das Muster hinter einem bestimmten Verhalten zu ändern. Die Psychotherapeutin vergleicht das mit einem Uhrwerk. Eine Veränderung an einem Rädchen reiche aus, dass das ganze Uhrwerk anders läuft. – Aber muss es dann zwangsläufig richtig laufen? „Es kann nämlich auch sein, dass ein bestimmtes Muster dem Betreffenden Kraft gibt“, weiß Corinna Köbele und sieht es als Aufgabe der Spezialisten an, mit den Patienten gemeinsam den Weg zu finden, solche Muster wertschätzend anzunehmen. Eine Angststörung beispielsweise könne eine hohe Funktionalität haben. Sie mache die Betreffenden vorsichtig und feinfühlig etwa in zwischenmenschlichen Beziehungen, was man selber doch auch als positiv empfinden könne.
Ob am Zeitungskiosk oder im Internet – psychologische Ratgeber mit ihren Anleitungen, wie man sein Leben in den Griff bekommt, haben Konjunktur. „Aber jeder Mensch reagiert anders auf seine Umwelt. Jeder Mensch hat seine eigene Biochemie“, sagt Corinna Köbele. „Wer sich nicht wohl fühlt in Gemeinschaft wird mit dem Rat, unter Menschen zu gehen, nichts anfangen. Und wer ein Sportmuffel ist, wird sich in Laufschuhen keineswegs besser fühlen, wird nicht in ihnen aus der Depression hinaus laufen. Das funktioniert nicht, weil wir sehr komplexe Wesen sind“, sagt Corinna Köbele. „Trotzdem können individuelle Lösungen leicht und einfach sein. Man muss nur innerlich ja sagen zu dem neuen Weg.“
BU: „Ich behandle nicht das Problem, sondern den Menschen“, sagt Psychotherapeutin Corinna Köbele.
