„Gesunde Ernährung“ sollte als Schulbildung eine größere Rolle spielen, meint Dr. Ronald Biemann vom Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie am Universitätsklinikum Magdeburg. Als Ernährungswissenschaftler weiß er, dass Essgewohnheiten in der Kindheit angelegt und oft im Verlauf des Lebens nach diesem Schema fortgeführt werden. Problematisch sei, dass es heutzutage für das Gefühl „Hunger“ super schnelle Fertiglösungen gibt, sagt er, und dass die darin enthaltenen Zucker und Fette als Geschmacksträger die Hauptursachen sind für ein großes Problem unserer Zeit: Laut Weltgesundheitsorganisation WHO ist die Zahl der fettleibigen Kinder in den zurückliegenden 40 Jahren um das Zehnfache auf 124 Millionen angestiegen. Die Folgen sind Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen schon in jungen Jahren.
Auf die Entgegnung, dass entsprechende Ernährungstipps in jedem Medium zuhauf zu finden seien, kommt Biemann wieder auf die Ernährungskompetenz zu sprechen. Die sei trotz allem nicht genügend ausgeprägt, sonst wären die sogenannten Volkskrankheiten schließlich rückläufig.
Sich auf dem weiten Feld der gesunden Ernährung zu „bilden“, ist allerdings nicht so leicht angesichts der vielfältigen Informa-tionsquellen. Zudem hätten Marketingstrategen das Thema gesunde Ernährung für die Entwicklung von Produkten entdeckt, die oft viel weniger halten als sie versprechen bzw. gar nicht von der Allgemeinheit benötigt werden. „Nur ein eingeschränkter Verbraucherkreis braucht laktosefreie oder cholesterinsenkende Produkte“, sagt der Ernährungsexperte.
In der Uniklinik hat er es mit Patienten zu tun, deren zu hoher Cholesterinwert genetisch bedingt ist. „Normalerweise bildet der menschliche Körper genau so viel Cholesterin, wie er für Aufbau und Teilung seiner Zellen braucht“, sagt Biemann. Wenn ein gesunder Mensch ein paar Eier mehr isst, gleicht der Organismus seine Eigenproduktion dieser Cholesterinzufuhr an. Erst wenn die Rückkopplung nicht funktioniert, gibt es Probleme. Das überschüssige Cholesterin lagert sich dann an den Gefäßwänden ab und ist die Ursache für Arteriosklerose.“ Bei Personen mit zu hohen Cholesterinwerten fehlt diese Rückkopplung. Auch durch Veränderungen der Ernährungsweise und durch Sport lässt sich der zu hohe Cholesterinwert beeinflussen, sagt Biemann und ergänzt, dass das Immunsystem eines Menschen zum großen Anteil durch die Zusammensetzung der Darmflora bestimmt wird. Gerät sie etwa durch Antibiotika-Behandlungen aus dem Gleichgewicht, könne sie mit Unterstützung probiotischer Mittel wieder regeneriert werden.
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Biemann ist ein Verfechter der ausgewogenen und frisch zubereiteten Ernährung, in der die guten Kohlenhydrate genauso wichtig sind wie Proteine. Morgens gibt es in seiner Familie ein selbst zusammengestelltes Müsli aus Haferflocken, Leinsamen, Rosinen, Nüssen und Obst der Saison. Auf den Mittagsteller kommt heimisches Gemüse, dazu das tollste Superfood aus unseren Breitengraden – die Kartoffel mit ganz viel Vitamin C. Abends gibt es die klassische „Stulle“. Es dürfe auch die selbst zubereitete Pizza sein – wenn unterm Strich die Kalorienbilanz stimmt.