Was fällt Ihnen schwerer: anfangen oder aufhören? Mein Lieblingsradiosender stellt diese Frage jede Woche einem anderen Promi. Und jedes Mal überlege ich, wie ich selber sie beantworten würde. Wenn ich im Schreib-Flow bin, fällt es mir schwerer aufzuhören. Oder anders gesagt: Es fällt mir leicht weiterzumachen.
Das Anfangen aber ist ein ganzes Kapitel für sich.
In Gedanken habe ich oft große Lust auf etwas Neues. Vielleicht lässt sich das daraus erklären, dass wir ein Teil der Natur sind. Wenn die nicht stets Lust auf neues Sprießen und Gedeihen hätte, wären wir verloren.
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne ...“ – wer kennt mehr als diese eine Zeile aus einem Gedicht von Hermann Hesse? Ich habe es nachgelesen. Dass mein Herz „bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied und Neubeginne ...“ sein müsse, würde ich verneinen. Vertrautheit und Gewohnheiten sind mir lieb gewordene Gefährten. Ich fühle mich wohl in meinem „Lebenskreise“, schöpfe Kraft aus den Lebensräumen, an denen ich wie an einer Heimat hänge.
„Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.“ Ich käme mir wie entwurzelt vor – so immer auf dem Sprung. – Aber klar, aus der Gemütlichkeit heraus bewegt man nichts.
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben“, geht es weiter in Hesses Text.
„Mach’ mal ...“, sagen meine Töchter, und wir lassen einen Ideenbaum wachsen. Ich denke dabei zurück, wie auch ich in jüngeren Jahren vieles ganz unbefangen angegangen bin – auf diese Art sind mir große Vorhaben meines Lebens geglückt. Wenn es tatsächlich der Zauber ist, der uns beschützt, dann müsste das doch auch 10, 20, 30 Jahre später funktionieren. Tut es sicher auch. Aber mit dem gewachsenen Wissen um die Dinge und ihre Zusammenhänge bin ich nicht mehr so wagemutig. Ich bin erfahrener, kenne Hindernisse, weiß mehr darüber, wie beschwerlich die Wege sein können. – Aber eben nicht müssen.
Ich bin mir gegenüber das, was junge Menschen „Blockierer“ oder „Verhinderer“ nennen. Von daher sollte ich mir vielleicht doch Hesses Gedichtzeilen hinter den Spiegel stecken: „Wie jede Blüte welkt und jede Jugend dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe ...“
Zum Glück strecken Krokusse & Co auch in diesem Jahr wieder neugierig ihre Köpfchen der Sonne entgegen. In meinem Garten stehen alle Zeichen auf Anfang. In meinem Kopf auch. Ich lasse Taten folgen; habe ich mir versprochen.
Das Leben ist keineswegs grau!
Ihre Kathrain Graubaum