Oase: Stress scheint das Lebensgefühl unserer Zeit zu sein. In der richtigen Dosis ist er ja auch die perfekte Droge. Doch wie bei einer Überdosis macht zu viel Stress krank, immer öfter sogar bedrohlich krank. Warum bekommen wir die richtige Dosierung von Stress nicht hin?
Katina Hacker: Angst vor Entlassung, Selbstverwirklichung, Anerkennung, Kontrollzwang, hoher Anspruch an sich selbst, Überkorrektheit oder eine hohe Identifizierung mit dem Beruf können Gründe sein, warum sich Körper und Seele in einem ständigen Alarmzustand befinden. Ab einem bestimmten Stresslevel verändert sich unsere Wahrnehmung. Komischerweise wollen wir dann dem Stress mit noch größerem Engagement entgegen wirken.
Oase: Ins Zentrum der Anti-Stress-Therapie rückt immer mehr die Bewegung. Wie ist die positive Rolle von Sport zu erklären?
Katina Hacker: Sport ist bestens geeignet, die Stresshormone im Körper abzubauen. Sämtliche Ausdauersportarten wie Wandern, Laufen, Walken, Radfahren, Schwimmen oder auch Tanzen greifen stark in die Stresschemie ein und versetzten den Stoffwechsel wieder in die Lage, Botenstoffe zu produzieren, die in uns gute Gefühle auslösen. Untersuchungen haben gezeigt, dass sportliche Menschen auch nicht so anfällig sind gegen die negativen Auswirkungen von Stress.
Oase: Wenn es uns sehr schlecht geht, legen wir uns doch lieber aufs Sofa, anstatt die Laufschuhe anzuziehen. Wie soll man sich denn da zu Sport überwinden?
Katina Hacker: Anfangs darf man die Messlatte nicht zu hoch legen. Eine Erstmotivation kann sein: Heute nur fünf Minuten. Das scheint nicht viel, aber wenn man diese fünf Minuten geschafft hat, bleibt man meistens noch länger dran. Wichtig ist die Regelmäßigkeit, optimal ist wöchentlich zweimal eine Stunde. Darum trifft man am besten eine Verabredung mit sich selbst und trägt die auch in den Kalender ein.
Man kann sich auch mit guten Gedanken motivieren. Zum Bespiel stellt man sich das tolle Gefühlt vor, wenn man nach dem Schwimmen unter der warmen Dusche steht. Oder man hat schon den Geruch des Waldbodens in der Nase auf dem man gleich lang laufen wird. Das Meditieren beim Walken oder das Gefühl der Schwerlosigkeit im Wasser werden oft als angenehm erfunden. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass man sich eine Sportart aussucht, die einem auch wirklich Spaß macht.