Vor einigen Jahren hatte ich den Auftrag, eine Wahrsagerin zu interviewen. Die verstand sich als Wegweiser im Leben ihrer Kunden. Denn unsere Sichtweise auf die Position in der Welt, meinte sie, beeinflusse auch unser Leben. „Wenn ich jemandem sage, dass er am Wasser wohnen wird, dann orientiert sich dieser Mensch möglicherweise einmal unbewusst an meiner Prophezeiung.“
Keinesfalls schaden kann es, wenn man sein Leben nach den schönen Vorhersagen aus Glückskeksen ausrichtet. Ich bekam zum Geburtstag eine Tüte geschenkt: „Der Einsatz, der alle Ihre Kräfte fordert, zahlt sich aus.“ Oder: „Sie werden ein unbeschwertes langes Leben haben.“ Und dann noch: „Im Geschäftsleben werden Sie ungewöhnlich erfolgreich sein.“
Psychologen sprechen vom Effekt der „selbsterfüllenden Prophezeiung“. Soll heißen: Das, was wir erwarten, wird wahr. Allerdings: Negative Befürchtungen sind da nicht ausgeschlossen. Wenn also erwiesen ist, dass wir mit der Kraft unserer Gedanken das Schicksal beeinflussen können, dann sollten es doch möglichst optimistische Gedanken sein, die uns beherrschen.
„Jeder ist seines Glückes Schmied“ ist eine alte Redewendung. Volkes Mund tut Wahrheit kund. Für den, der lieber wissenschaftlichen Erkenntnissen vertraut, hat die „Positive Psychologie“ eine gute Nachricht: Wir können lernen, optimistisch zu denken. Wir können die Grenzen in unserem Kopf, die uns oft blockieren, verschieben, indem wir selbsterfüllende Prophezeiungen bewusst nutzen. Die großen Helfer dabei sind positive Überzeugungen.
Der Amerikaner Martin Seligmann, Vertreter der „Positiven Psychologie“, hat grundlegende positive Überzeugungen für eine optimistische Lebenshaltung aufgestellt: Optimisten glauben, dass Unglück nur kurzfristig ist und vorübergeht. Sie sehen einen Misserfolg nicht als dominant für das ganze Leben an, sondern knüpfen ihn an das konkrete Vorhaben oder an einen bestimmten Bereich. Gutes Gelingen dagegen sehen Optimisten als normal auf allen Ebenen an. Optimisten verurteilen sich nicht grundsätzlich für Fehlschläge oder dafür, ein Ziel nicht erreicht zu haben. Sie fokussieren ihre guten Gedanken auf das nächste Mal.
Durch ihre positiven Gedanken, so Seligmann, würden Optimisten ein starkes Selbstvertrauen entwickeln. Ein lösungsorientierter Umgang mit Problemen mache sie zudem stress-resistenter und gesünder.
Da muss was dran sein. „Es wird schon irgendwie weitergehen“ – mit dieser Zuversicht stand meine Oma Krieg, Nachkriegszeit und sämtliche anderen Krisen durch. „Mach das Beste draus“, gab sie als Lebensdevise weiter. Sie hatte sich entschieden, zufrieden sein zu wollen. Und hat an diesem Vorhaben stets aktiv „geschmiedet“. Mit einem überwiegend positiven Lebensgefühl wurde sie 98 Jahre alt.
Jeder von uns interpretiert die Welt anders. Und je nach Überzeugungen konstruiert sich jeder seine eigene Welt. Eine interessante Frage in diesem Zusammenhang ist, wie lange ein Pessimist im optimistischen Umfeld ein Pessimist bleibt. Meine Tochter lebt seit zehn Jahren in Köln – dem Hort rheinischer Frohnaturen. „Mer läv nur eimol“ ist dort das Lebensmotto. Grundüberzeugungen ,wie die des Psychologen Martin Seligmann, braucht man in Köln nicht. Die Hochburg des Optimismus hat schon seit jeher ihr eigenes Grundgesetz: §1: Et es wie et es! §2: Et kütt wie et kütt! §3: Et hät noch immer jot jejange! §4: Wat fott es, es fott! §5: Et bliev nix, wie et wor!
Vielleicht auch aus dieser fröhlich-optimistischen Grundstimmung heraus nimmt die junge Familie meiner Tochter ihre Zuversicht, die Welt so gestalten zu können, dass sie lebenswert ist für drei Kinder und vielleicht noch mehr. Wer daran glaubt, dass diese Kinder und die Kinder dieser Kinder das Wunder des Lebens erleben dürfen, der tut alles ihm Mögliche, dass diese Gedanken Wirklichkeit werden.