Deutschlandweit erzielte der Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln allein im ersten Halbjahr 2016 einen Umsatz von 448 Millionen Euro. Aber wie sinnvoll sind diese zusätzlichen Vitamine, Mineralien und Co? „Wer sich ganz normal ausgewogen und möglichst von frisch zubereiteten Speisen ernährt, braucht keine Anti-Aging-Drinks oder Power-Pillen“, sagt Dr. Ronald Biemann vom Institut für Klinische Chemie und Pathobiochemie am Uniklinikum Magdeburg. Dennoch: „Mit dem Lebensalter steigt die Bereitschaft für den Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln, von denen man sich etwa die Steigerung der Leistungskraft erhofft“, weiß der Ernährungswissenschaftler und meint, dass auch Menschen im Alter 50+ ihr Geld besser in frische gesunde Lebensmittel investieren sollten.
Biemann räumt in diesem Zusammenhang mit einigen Legenden auf: Das Modemittel Zink zur Stärkung des Abwehrsystems könne sogar Übelkeit oder Magenschmerzen hervorrufen, wenn es als Nahrungsergänzungsmittel überdosiert wird. Magnesium helfe bei Muskelkrämpfen nach intensivem Sport, aber ein Stress-Killer sei der Mineralstoff ganz gewiss nicht. Und: Das Lieblings-Vitamin der Deutschen, das Vitamin C, bringe prophylaktisch eingenommen rein gar nichts. Zum einen bekomme der Körper bei gesunder Ernährung ausreichend davon, zum anderen könne er das Vitamin C nicht speichern. Es wird also gleich wieder ausgeschieden und tauge darum nicht, beispielsweise Infektionskrankheiten vorzubeugen. Allerdings gäbe es Hinweise darauf, dass während einer Erkältung eingenommenes Vitamin C die Krankheitsdauer verkürzen könne, sagt der Mediziner.
Dass ein Vitamin B12-Mangel müde und schlapp macht, wird von Ronald Biemann nicht bestritten. Ein sich abwechslungsreich ernährender Mensch hätte allerdings keinen Mangel an diesem Vitamin, das in vielen tierischen Lebensmitteln vorkommt und vom Körper fünf bis zehn Jahre gespeichert wird. Biemann empfiehlt Fleisch, Fisch und Nüsse, die viel Eisen enthalten.
Der Ernährungswissenschaftler plädiert dafür, dass man sich auch oder gerade in stressigen Lebensphasen Zeit für die Mahlzeiten und deren Zubereitung nimmt – am besten mit frischen Zutaten, in denen ausreichend Nährstoffe enthalten sind. „Wer darauf achtet, bleibt körperlich und geistig fit“, sagt Biemann und lässt in diesem Zusammenhang auch Schokolade gelten. Sie sei – in Maßen – tatsächlich Nahrung für die Nerven. Durch eine schnelle Steigerung des Blutzuckerspiegels liefere sie schnell Energie zum Gehirn. Um jedoch Heißhungerattacken zu vermeiden, sollten komplexe Kohlenhydrate in den täglichen Speiseplan eingebaut werden, beispielsweise in Form von Salat und Vollkornprodukten.
Womit wir tatsächlich unsere Nahrung ergänzen sollten sei Jod, sagt Ronald Biemann und begründet das mit den jodarmen Böden in Deutschland. Die Verwendung des mit Jod versetzten Speisesalzes reiche allerdings aus. Weil nördlich des 40. Breitengrades im Winter zu wenig von der UV-B-Strahlung ankommt, die dem Körper hilft, Vitamin D zu bilden, seien wir hierzulande mit Vitamin D unterversorgt, sagt der Ernährungsexperte und dass derzeit Langzeitstudien über die Effekte zusätzlich eingenommener künstlicher Vitamin D-Präparate laufen. Da es bei der Einnahme auch zur Überdosierung kommen kann, empfiehlt er, sich beim Hausarzt zu informieren, ob und welche Präparate im individuellen Fall sinnvoll seien.
